Johanneskirche in Hennen
Armut ist es eigentlich gewesen, die dies Kleinod westfälischer Dorfkirchenromanik erhalten hat: man hatte kein Geld, um es zu gotisieren, in der Renaissance-Zeit umzubauen oder ihm Barock-Zierat anzuhängen. So steht es seit 800 Jahren inmitten des uralten Kirchspiels mit sechs Bauernschaften auf der Anhöhe über der Ruhr.
Im Mittelalter kreuzten sich hier zwei wichtige Verkehrswege; einer führte von Iserlohn über die Ruhr zum Hellweg. Hier ließen die Herren auf Haus Hennen, an deren burgartige Wohnung nur noch ein Siedlungsname erinnert, in der Zeit zwischen 1150 und 1175 diese einschiffige Saalkirche in Kreuzform erbauen.
Sie ist ein Gewölbebau mit zwei Jochen und einem verhältnismäßig weit ausladenden Querschiff. Das Mauerwerk ist so dick, dass man sogar die Apsidiolen (Rundnischen) darin aussparen konnte. Die halbrunde Chorapsis ist außen siebeneckig und hatte früher 4 Fenster. Aus der Bauzeit haben sich am vermauerten früheren Haupteingang und über der Tür des südlichen Querschiffs ganz alte Tympanonreliefs (Steinmetzbilder) erhalten, von denen eines sogar von einer Vorgänger-Kapelle stammen könnte. Eines zeigt das Lamm Gottes mit zwei Engeln vielleicht eine alte Oster-Darstellung. Das andere zeigt, ganz verwittert, Stern- und Blattmuster und Ornamente. Auf der Nordseite sind die Reste eines Türbogens im Mauerwerk restauriert und gesichert worden.
Turm und Gotteshaus bilden für uns heute eine Einheit. Sie waren es aber nicht immer, denn das Mauerwerk zwischen beiden ist nicht verzahnt. Der Turm ist so derb und schmucklos, sodass sich unwillkürlich der Gedanke aufdrängt, dass er später, vielleicht auch zu Wehrzwecken, angefügt worden ist. Auch die gotischen Gewölbe-Grate im Westjoch der Kirche deuten an, dass spätere Generationen an der Kirche einen Durchbruch in Raumhöhe vorgenommen haben, um die Verbindung zwischen beiden Teilen herzustellen.
Die Kunstgeschichte fasst die einschiffigen Kirchen jener Zeit, die diese ähnlichen Bau- und Bogenformen haben, nach dem besterhaltenen Beispiel als "Hennener Gruppe" zusammen. Der Deckenschmuck der Kirche stammt aus spätromanischer Zeit. In der Soester Kirche "Marie zur Höhe" und weiteren sauerländischen Kirchen sind ähnliche Rankenbäume und vergleichbare exotische Tierformen zu finden. Die Chormalerei zeigt eine "Deesis": dem Christus im Strahlenkranz auf dem Weltenthron wird von Johannes dem Täufer (Altes Testament) und Maria (Neues Testament) gehuldigt. Eingefügt sind die Evangelisationssymbole: Engel, Löwe, Stier und Adler. Diese Darstellung, die man in den alten romanischen Kirchen findet, ist aus dem byzantinischen kirchlichen Bilderschmuck übernommen. Aus der Renaissance-Zeit stammt das Epitaph (Gedenkmal) für Heinrich von Westhove von 1580. Es steht jetzt im „Ohl'schen Eck“, dem nördlichen Querschiff, in dem die Herren von Haus Hennen jahrhunderte lang ihren Platz hatten. Zwei kleine Epitaphien der Familien Kettler und Nagel aus Haus Hennen von 1581 und 1588 sind in der Chorapsis über der Kanzel und im südlichen Seitenschiff angebracht. Sie stören so nicht den Eindruck des romanischen Raumes, der durch die Freilegung des inneren westlichen Turmbogens noch gesteigert wurde. Bei der Wiederherstellung der einzigen vollständig erhaltenen Orgel von J. F. Schulze-Paulinzella von 1875 wurde die nicht originale Auskleidung des Bogens mit stummen Blechpfeifen beseitigt und 1976 der Prospekt mit einem klingenden Register hinzugefügt. Im Turm hingen früher drei Glocken: eine kleine mit "gotischen" Formen (55 cm Schallranddurchmesser, ohne Jahresangabe) und zwei große; erhalten blieb bis heute nur die größte (105 cm Durchmesser) mit der Inschrift: „ ..anno 1701 'Soli deo gloria ' Franciscus (Adolphi) pastor ' philip westhof Ludwig westhof Kirchmeister“. Schon im Ersten Weltkrieg wurde die zweite große Glocke (102 cm Durchmesser) eingeschmolzen. Sie trug die Inschrift: "Diese glocke ist gegossen als die herren grafen friedrich und carl zu bentheim u. der herr hauptmann von Kettler und freiherr von Brabeck - kirchenpatronen ' herr cramer und Echelberg prediger und i. D. Dickmann kirchmeister zu Hennen war. Im Jahr christi ... me fudit Stocky an(no) 1799". Aus dem noch vorhandenen Material wurden 1921 zwei Ersatzglocken gegossen, die 1940 endgültig verloren gingen. Zur 800-Jahrfeier der Gemeinde Hennen wurden wieder zwei neue Bronze-Glocken gegossen und 1950 in Dienst genommen. Im südlichen Querschiff sind heute vier ältere Apostelfiguren aufgestellt, deren früheren Platz in der Kirche man heute nicht mehr mit Sicherheit bestimmen kann. Bei der Kirchenrenovierung 1875 blieben sie nur darum erhalten, weil sie in einen neugotischen Altaraufbau eingefügt wurden. Erhalten hat sich auch eine Weinkanne von 1752 mit den Initialen I. H. M. des reformierten Pfarrers Jobst Henrich Mintert. Auch der Abendmahlskelch der "evangelischen lutherischen Gemeinde Hennen" von 1726 ist erhalten und wird noch benutzt. Er stammt aus dem Jahr, als Friedrich Wilhelm I. den Religionsstreit in Hennen durch die Wahl eines lutherischen Pastors beenden wollte: nun tranken reformierte und lutherische Gemeindeglieder nicht mehr aus einem Kelch,In der Vierung fand 2004 der Rest eines Taufsteins mit einem romanischen Blätterkranz auf einem neuen Trommelsockel zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurück. Bei der Kirchenrenovierung 1743 hatte er einem neuen „hölzernen Tauf-Faß“ weichen müssen und lagerte fast 200 Jahre auf dem die Kirche umgebenden Friedhof. In der Johanneskirche wurde seit 1539 durch den Vikar Sessinghuß die evangelische Lehre verkündigt. Aber bis 1606, als der katholische Vikar Hoinges am Palmsonntag die letzte katholische Messe las, herrschte ein oftmals strittiges Nebeneinander der Konfessionen. Die Zugehörigkeit Hennens zur Grafschaft (Hohen)Limburg mit ihrem reformierten Bekenntnis bescherte im 17. Jahrhundert der Gemeinde wieder zwei Generationen lang Unfrieden. Als Pastor Johann Eichelberg im Jahre 1667 beim Abendmahl statt der Hostien ein "Bauernbrot" gebrauchte, es brach und den "Heidelberger Katechismus" einführte, entsprach er einem Teil der Gemeinde, ein anderer widersetzte sich. Und mehr als 50 Jahre gab es Zank, Gerichts-Streit, sogar Schlägereien, sodass einmal limburgisches Militär den reformierten Gottesdienst in der Kirche schützen musste und die lutherische Gemeinde gezwungen wurde, in der "Woldemei " Waldgottesdienst abzuhalten. Um 1726 waren sogar zwei Pastoren gegeneinander in der Kirche tätig. Endlich einigten sich Reformierte und Lutherische 1733 über die unterschiedlichen Gottesdienstzeiten im gemeinsamen Gotteshaus und die Konfessionen der Kinder aus reformiert-lutherischen "Mischehen". Mehr als 200 Jahre dauerte dieses "Simultaneum" an der Johanneskirche, bis sich 1948 alle Evangelischen zu einer unierten Gemeinde zusammenschlossen.
Friedhelm Arno Berthold (2007, überarbeitet 2013)
Baudenkmäler Stadt Iserlohn (Johanneskirche Hennen)